Autor: andrea_wp_admin

Das ist ja ganz schön viel Meinung für sowenig Ahnung…

Oft habe ich das Gefühl, dass sich viele Menschen zu vielen Themen mit viel Inbrunst und viiiiel Selbstbewusstsein äußern…. und dabei eher über wenig Wissen zu den jeweiligen Themen verfügen… Ich nehme an, Sie denken auch gerade an die eine oder andere Person bzw. Situation…

Diese Art von Halbwissensverbreitung hat auch einen Namen: Die Verbreiter leben auf dem „Mount Stupid“. So hat der US-Cartoonist Zach Weinersmith schon 2008 die auffällig hohe Bereitschaft von uninformierten Menschen genannt, sich zu einem komplexen Thema zu äußern.

In der Psychologie spricht man vom Dunning-Kruger-Effekt1.

1 Vgl. Justin Kruger, David Dunning:Unskilled and unaware of it. How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. In:Journal of Personality and Social Psychology. Band 77, Nr.6, 1999, S.1121–1134

 

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(©smbc-comics/Zach Weinersmith)

1999 haben die Herren Kruger und Dunning anhand von Studien diesen psychologischen Effekt beschrieben. Es scheint also wirklich so zu sein, dass wenig bis schlecht informierte Menschen zu höherer Selbsteinschätzung neigen und sich eine hohe Kompetenz zu einem Thema zuschreiben, bei dem sie wenig bis gar keine Ahnung haben.

Im Alltäglichen begegnen uns die Mount Stupid Bewohner gerne und oft beim Arzt, in der Schule und auf dem Trainingsplatz, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ärzte haben sicherlich oft den Fall, dass die Patienten mit Dr. Internet bereits die passende Diagnose gestellt haben und auch bereits wissen, welches Medikament wirksam ist, der Arzt solle doch bitte einfach nur das Rezept unterschreiben…

Die Lehrer sind nicht nur auf Elternabenden mit Eltern konfrontiert, die natürlich ihr Kind für hochbegabt halten, nur der Lehrer oder die Lehrerin hat dies noch nicht verstanden (verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin der Meinung und habe auch die Erfahrung gemacht, dass jedes Kind etwas Besonderes ist und vor allem kann, und diese Leidenschaft gilt es zu fördern).

Und schließlich steht einer steilen Fußballkarriere des begabten Kindes nur noch der meist ehrenamtlich tätige Jugendtrainer im Wege…. wenn er doch endlich einsehen würde, dass das Kind auf einer anderen Position viiiiiel besser spielen würde….

(Ja, manchmal fasse ich mir zugegeben auch an die eigene Nase.)

Im Berufsleben haben wir solche Situationen natürlich auch.

Wie schnell schmeißen die Abteilungs- und Projektleiter, Kolleginnen und Kollegen mit Schlagworten um sich, ohne eigentlich genau erklären zu können, was dahinter steckt.

Oder wissen Sie, was transformationale Führung, Content Marketing oder Big Data genau bedeutet? Da sollten wir noch mal einen Deep Dive zu machen…

Auch in der Politik machen sich die Bewohner breit. Der Brexit ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich die Menschen erst NACH der Wahl richtig informiert haben (dies war u.a. an bestimmten Suchwörtern im Internet abzuleiten).

Die eigentlichen Experten dieser Themen kommen nicht zu Wort oder werden nicht gehört. Warum ist das so?

Sind die Mount Stupid Bewohner zu laut, zu dominant?

Die Psychologin Tanja Gabriele Baudson führt das auf ein Kommunikationsproblem zurück: Führende Experten und Wissenschaftler würden sich eben lieber in Fachmagazinen äußern als in den Massenmedien.

Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung des Effekts ist also die Verbreitung von Fachwissen auch in den öffentlichen Medien. Dadurch kann der Fokus von populistischen Thesen auf fundierte Sachargumente gelegt werden.

Damit wir nicht selber auf dem Mount Stupid verweilen und von dort auf den fernen Gipfel der wahren Erkenntnis und des Wissens blicken, ist es sinnvoll, auch einfach mal zuzugeben, in etwas KEIN Experte zu sein, ohne WENN und vor allem ABER.

Ansonsten ist der Weg hin zum fernen Gipfel mit vielen Informationen gepflastert. Es reicht nicht aus, ab und an einen Artikel zu lesen und sich dann gleich als Experten zu diesem Thema zu äußern, es macht durchaus Sinn, etwas Zeit und Konzentration zu investieren, wenn Sie denn ein Thema durchdringen oder mitdiskutieren wollen.

Ein prominentes Exemplar eines Mount-Stupid- Bewohners ist übrigens der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, nur, damit Sie sich ein gescheit(elt)es Bild machen können.

Viel Spaß beim Finden der Balance zwischen alltagstauglichem Wissen und der sinnhaften Vertiefung von Themen, an denen Sie leidenschaftlich interessiert sind.

Ihre

Andrea Rudolf

Ich gehe davon aus, dass…

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich persönlich mag diesen Satzbaustein nicht besonders. Irgendwie habe ich dann das Gefühl, in einen wichtigen Aspekt der Diskussion nicht eingebunden gewesen zu sein (und ich irgendwo zwischen „Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“ und „einen schönen Feierabend wünsche ich“ einen wichtigen Auftrag verpasst habe).

Kommt es Ihnen dann auch so vor, als ob eine wesentliche Information im Vorfeld zwischen Ihnen und der Person, die da gerade „Ich gehe davon aus“ gesagt hat, einfach fehlt?

  • Ich gehe davon aus, dass Sie die Präsentation fertiggestellt haben.“
  • Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Theorie bekannt ist.“
  • Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, was in mir vorgeht“ 

Gehen Sie lieber davon aus, dass all dieses „davon Ausgehen“ NICHT fertiggestellt, bekannt oder gewusst wird.

Oftmals verstecken sich Menschen hinter dieser vermeintlich verbindlichen Floskel, um über die verpasste aber notwendig gewesene Kommunikation mit klarer Aufgabenstellung hinwegzusehen. Dabei wäre es ein Leichtes, einen weiteren Satz der Erläuterung einfließen zu lassen, um sich das Vorweggenommene bestätigen oder ablehnen zu lassen. Ausgegangen wird ja immer von Umständen, die so erst noch einzutreten haben und beim Fallenlassen der Floskel noch unbestätigt sind.

Offensichtlich ist diese ergänzende Kommunikation aber keineswegs leicht.

Denn dann müsste man ja noch mehr miteinander – Sie müssen jetzt ganz stark sein – REDEN.

Warum fällt es vielen vor allem in der Arbeitswelt so schwer, klare und verbindliche Verabredungen zu treffen? Oftmals bedarf es einfach einer in Ruhe und nach dreimaligen Durchatmen klärenden Erläuterung:

  • Mir war nicht bewusst, dass wir über einen Zeitpunkt der Fertigstellung für die Präsentation geredet haben…
  • Über einen kurzen Überblick über die von Ihnen angesprochene Theorie bin ich Ihnen dankbar.“
  • Da ein jeder von uns in seiner eigenen Welt mit eigenen Werten und Vorstellungen lebt, kann ich nicht wissen, was in Ihnen vorgeht und freue mich, wenn wir gemeinsam eine Möglichkeit finden, uns miteinander zu verständigen.“

Ich gebe zu, ab und zu muss ich eher fünfmal für solche Antworten durchatmen. Ein schnelles Kopfnicken (ob nun zurecht oder nicht) auf die „Ich gehe davon aus“ -Floskel ist in der Tat so bequem wie oftmals fatal.

Meine Antwort lautet daher ab heute auf eine solche „Ich gehe davon aus“-Floskel:

„Unter der Voraussetzung, dass Sie jetzt keine konkreteren Vorgaben machen, gehe ICH davon aus, dass auch keine Aktion meinerseits erforderlich ist. Und jetzt gehe ich davon. AUS.“

Ihre Andrea Rudolf

Nicht BESSER, nur FRÜHER

Kennen Sie das? Sie haben ältere Geschwister oder Freunde, oder einfach Menschen um sich herum, die sich in einer anderen Lebensphase befinden, vielleicht schon eine Familie gegründet haben oder aber Kinder haben, die schon „aus dem Gröbsten raus“ sind…?

Dann hatten Sie vielleicht auch das eine oder andere Mal den Gedanken: „Oha, das läuft ja alles so einfach bei den anderen… toll, wie die vernetzt sind, prima, dass die Kinder schon so selbständig sind…“ und denken vielleicht: Menno, bei mir ist das alles nicht so…

Ich ermutige Sie zu denken: Bei mir ist es GERADE nicht so, denn bei diesen Gedankengängen handelt sich oftmals nicht um einen qualitativen Lebensunterschied, sondern schlichtweg um einen zeitlichen…

Jeder Mensch durchlebt im Laufe seines Lebens biologische und soziale Phasen, die durch bestimmte Aufgaben, aber auch Konflikte oder Charakteristiken gekennzeichnet sind. Die Phasen sind im Grunde an das Lebensalter gekoppelt, es gibt natürlich (und zum Glück) individuelle Unterschiede.

Zu wissen, in welcher Phase Sie sich gerade befinden, kann Ihnen helfen zu erkennen, welche Aufgaben und Hindernisse sich Ihnen stellen können, und welche Maßnahmen Sie treffen können, um sich weiterzuentwickeln.

Um Ihnen ein paar Ansatzpunkte zu geben, stelle ich Ihnen die Lebensphasen ab dem Einstieg ins Erwachsenenalter kurz vor1 und lade Sie ein, sich in Ihrer Phase zum einen wiederzufinden und zum anderen vor allen wohlzufühlen.

In der ersten Phase, der Ablösung von der Familie -meist zwischen 16 und 22 Jahren- geht es viel um die berufliche Zukunft, um Autonomie, um Bewerbungen und das Gefühl der Selbständigkeit.

Hier bewegen Sie Fragen wie:

  • Schaffe ich den Einstieg ins Berufsleben?
  • Welche Studienrichtung soll ich wählen?
  • Was mache ich mit dem ersten selbstverdienten Geld?
  • Soll ich mich sozial oder in Umweltthemen engagieren?
  • Und wie zum Teufel hat Mama immer die Wäsche so duftend und sauber bekommen?

Die zweite Phase (erstes Erwachsensein, 22- 29 Jahre) ist geprägt vom Finden Ihres eigenen Platzes in der Gesellschaft. Diese Phase steckt voller Energie und Lust zum Forschen und Experimentieren. Beziehungen zu anderen Personen nehmen Sie auf und gründen eventuell eine eigene Familie.

Auch in dieser Phase begegnen Ihnen natürlich Aufgaben und auch Konflikte, zum Beispiel das endgültige Loslassen der Stammfamilie.

Fragen wie:

  • Wie finde ich in diesem Dschungel aus Möglichkeiten meine Berufung – und was will ich überhaupt?
  • Verpasse ich eine bessere Gelegenheit, wenn ich mich dafür entscheide?
  • Zahlt mein Vermieter den neuen Bodenbelag?
  • Steht er/sie nun auf mich oder nicht?

beschäftigen Sie nun und führen auch mal in die Irre. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, die dann in Phase Drei (Übergang in die Dreißiger, 29 – 32 Jahre) überprüft, stabilisiert oder gegebenenfalls korrigiert werden. In dieser aktiven Phase werden Ihre eigenen Ideale mit der Wirklichkeit konfrontiert und die Suche nach der eigenen Identität, ja auch nach dem Sinn des Lebens fordert Sie heraus.

  • Was sind meine Lebensziele?
  • Wie bringe ich Beruf und Privates in Balance?
  • Warum schlafen meine Kinder nicht durch, bei den anderen klappt es doch auch?

Bis Sie sich dann in Phase Vier (32 – 39 Jahre) etablieren und eine selbstbewusste und unabhängige Persönlichkeit entwickeln. Sie streben nach Anerkennung und Erfolg, so, wie Sie ihn für sich definiert haben. Sie schlagen eigene Wurzeln und können diese Phase in ruhigeren Gewässer genießen, denn dann folgt auch schon der Übergang in die Mitte des Lebens, die fünfte Phase (39 – 43 Jahre), in der Sie die eigene Sterblichkeit erkennen. Anzeichen physischer (und manchmal psychischer) Erscheinungen machen sich bemerkbar und Sie stellen die von Ihnen gemachten Zugeständnisse Ihren einstigen Träumen gegenüber. Auf diese Bestandsaufnahme folgen oftmals neue Entscheidungen.

  • Ist es das, was ich wollte?
  • Macht mich das glücklich?
  • Ist es normal, dass ich am Montag schon wieder auf das Wochenende warte?
  • Warum ist mein Schulterbereich so verspannt?

Nach diesem „Halbzeitbericht“ treten Sie in die Phase der Erneuerung und Stabilisierung ein (43 – 50 Jahre). Sie definieren eine neue Rolle für sich. Und Sie akzeptieren, dass Zeit endlich ist. Die Aufgaben, die sich Ihnen nun stellen, sind folgende: Sie übernehmen die Verantwortung für Ihr Leben und öffnen sich Ihrer sozialen Umwelt. Sie bewältigen familiäre Themen, u.a. durch das Heranwachsen der eigenen Kinder und erhalten in der Beziehung zum Partner eine neue Qualität.

In der folgenden Phase der Reife (50 – 60) entscheiden Sie meist, wie es mit Ihrer psychischen und geistigen Entwicklung weitergeht, ob es sich um eine auf-oder absteigende Entwicklung handelt.

Sie lernen, mit den abnehmenden physischen Fähigkeiten umzugehen und gestalten sich Ihr Leben angenehmer und leichter. Die Beziehung zu den eigenen „erwachsenen“ Kindern erhält eine andere Qualität. Allerdings müssen Sie in dieser Phase auch mit dem Wettbewerb Jüngerer fertig werden:

  • Also ich habe unter „Autorität“ noch etwas anderes verstanden…!
  • Das war doch früher alles besser…!
  • Etwas mehr Respekt, bitte….!

Eine entstandene Abgeklärtheit und erlangte Weisheit hilft Ihnen jedoch dabei.

Diese wird dann im weiteren Älterwerden (60 – 70 Jahre und gerne mehr) in der geistigen Phase noch stärker. Das Gewohnte schätzen Sie. Ihre einst getroffene Entscheidung, Ihre geistige Entwicklung ansteigen zu lassen, hilft Ihnen beim Abgleich und bei der Balance der neuen Impulse und Ihrer eigenen Ansichten.

Soweit so gut. Da wir uns als Menschen oftmals miteinander vergleichen, bleibt es nicht aus, dass es auch mal zu den anfangs erwähnten Zweifeln „Wieso ist das bei mir nicht so?“ kommen kann. Dann hilft es, sich dieser einzelnen Phasen bewusst zu sein und sich ihnen zuversichtlich zu widmen. Das ist schon ein wesentlicher Schritt. Die jeweilige Phase dann auch noch schwungvoll und optimistisch zu genießen, das ist die hohe Kunst.

Ich wünschen Ihnen viel Spaß beim Schaffen.

Ihre Andrea Rudolf

1 vgl. L. Sperry u.a.: You Can Make It Happen / E. Schein: Career Dynamics. Matching Individual and Organizational Needs