Kennen Sie das? Sie haben ältere Geschwister oder Freunde, oder einfach Menschen um sich herum, die sich in einer anderen Lebensphase befinden, vielleicht schon eine Familie gegründet haben oder aber Kinder haben, die schon „aus dem Gröbsten raus“ sind…?
Dann hatten Sie vielleicht auch das eine oder andere Mal den Gedanken: „Oha, das läuft ja alles so einfach bei den anderen… toll, wie die vernetzt sind, prima, dass die Kinder schon so selbständig sind…“ und denken vielleicht: Menno, bei mir ist das alles nicht so…
Ich ermutige Sie zu denken: Bei mir ist es GERADE nicht so, denn bei diesen Gedankengängen handelt sich oftmals nicht um einen qualitativen Lebensunterschied, sondern schlichtweg um einen zeitlichen…
Jeder Mensch durchlebt im Laufe seines Lebens biologische und soziale Phasen, die durch bestimmte Aufgaben, aber auch Konflikte oder Charakteristiken gekennzeichnet sind. Die Phasen sind im Grunde an das Lebensalter gekoppelt, es gibt natürlich (und zum Glück) individuelle Unterschiede.
Zu wissen, in welcher Phase Sie sich gerade befinden, kann Ihnen helfen zu erkennen, welche Aufgaben und Hindernisse sich Ihnen stellen können, und welche Maßnahmen Sie treffen können, um sich weiterzuentwickeln.
Um Ihnen ein paar Ansatzpunkte zu geben, stelle ich Ihnen die Lebensphasen ab dem Einstieg ins Erwachsenenalter kurz vor und lade Sie ein, sich in Ihrer Phase zum einen wiederzufinden und zum anderen vor allen wohlzufühlen.
In der ersten Phase, der Ablösung von der Familie -meist zwischen 16 und 22 Jahren- geht es viel um die berufliche Zukunft, um Autonomie, um Bewerbungen und das Gefühl der Selbständigkeit.
Hier bewegen Sie Fragen wie:
- Schaffe ich den Einstieg ins Berufsleben?
- Welche Studienrichtung soll ich wählen?
- Was mache ich mit dem ersten selbstverdienten Geld?
- Soll ich mich sozial oder in Umweltthemen engagieren?
- Und wie zum Teufel hat Mama immer die Wäsche so duftend und sauber bekommen?
Die zweite Phase (erstes Erwachsensein, 22- 29 Jahre) ist geprägt vom Finden Ihres eigenen Platzes in der Gesellschaft. Diese Phase steckt voller Energie und Lust zum Forschen und Experimentieren. Beziehungen zu anderen Personen nehmen Sie auf und gründen eventuell eine eigene Familie.
Auch in dieser Phase begegnen Ihnen natürlich Aufgaben und auch Konflikte, zum Beispiel das endgültige Loslassen der Stammfamilie.
Fragen wie:
- Wie finde ich in diesem Dschungel aus Möglichkeiten meine Berufung – und was will ich überhaupt?
- Verpasse ich eine bessere Gelegenheit, wenn ich mich dafür entscheide?
- Zahlt mein Vermieter den neuen Bodenbelag?
- Steht er/sie nun auf mich oder nicht?
beschäftigen Sie nun und führen auch mal in die Irre. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, die dann in Phase Drei (Übergang in die Dreißiger, 29 – 32 Jahre) überprüft, stabilisiert oder gegebenenfalls korrigiert werden. In dieser aktiven Phase werden Ihre eigenen Ideale mit der Wirklichkeit konfrontiert und die Suche nach der eigenen Identität, ja auch nach dem Sinn des Lebens fordert Sie heraus.
- Was sind meine Lebensziele?
- Wie bringe ich Beruf und Privates in Balance?
- Warum schlafen meine Kinder nicht durch, bei den anderen klappt es doch auch?
Bis Sie sich dann in Phase Vier (32 – 39 Jahre) etablieren und eine selbstbewusste und unabhängige Persönlichkeit entwickeln. Sie streben nach Anerkennung und Erfolg, so, wie Sie ihn für sich definiert haben. Sie schlagen eigene Wurzeln und können diese Phase in ruhigeren Gewässer genießen, denn dann folgt auch schon der Übergang in die Mitte des Lebens, die fünfte Phase (39 – 43 Jahre), in der Sie die eigene Sterblichkeit erkennen. Anzeichen physischer (und manchmal psychischer) Erscheinungen machen sich bemerkbar und Sie stellen die von Ihnen gemachten Zugeständnisse Ihren einstigen Träumen gegenüber. Auf diese Bestandsaufnahme folgen oftmals neue Entscheidungen.
- Ist es das, was ich wollte?
- Macht mich das glücklich?
- Ist es normal, dass ich am Montag schon wieder auf das Wochenende warte?
- Warum ist mein Schulterbereich so verspannt?
Nach diesem „Halbzeitbericht“ treten Sie in die Phase der Erneuerung und Stabilisierung ein (43 – 50 Jahre). Sie definieren eine neue Rolle für sich. Und Sie akzeptieren, dass Zeit endlich ist. Die Aufgaben, die sich Ihnen nun stellen, sind folgende: Sie übernehmen die Verantwortung für Ihr Leben und öffnen sich Ihrer sozialen Umwelt. Sie bewältigen familiäre Themen, u.a. durch das Heranwachsen der eigenen Kinder und erhalten in der Beziehung zum Partner eine neue Qualität.
In der folgenden Phase der Reife (50 – 60) entscheiden Sie meist, wie es mit Ihrer psychischen und geistigen Entwicklung weitergeht, ob es sich um eine auf-oder absteigende Entwicklung handelt.
Sie lernen, mit den abnehmenden physischen Fähigkeiten umzugehen und gestalten sich Ihr Leben angenehmer und leichter. Die Beziehung zu den eigenen „erwachsenen“ Kindern erhält eine andere Qualität. Allerdings müssen Sie in dieser Phase auch mit dem Wettbewerb Jüngerer fertig werden:
- Also ich habe unter „Autorität“ noch etwas anderes verstanden…!
- Das war doch früher alles besser…!
- Etwas mehr Respekt, bitte….!
Eine entstandene Abgeklärtheit und erlangte Weisheit hilft Ihnen jedoch dabei.
Diese wird dann im weiteren Älterwerden (60 – 70 Jahre und gerne mehr) in der geistigen Phase noch stärker. Das Gewohnte schätzen Sie. Ihre einst getroffene Entscheidung, Ihre geistige Entwicklung ansteigen zu lassen, hilft Ihnen beim Abgleich und bei der Balance der neuen Impulse und Ihrer eigenen Ansichten.
Soweit so gut. Da wir uns als Menschen oftmals miteinander vergleichen, bleibt es nicht aus, dass es auch mal zu den anfangs erwähnten Zweifeln „Wieso ist das bei mir nicht so?“ kommen kann. Dann hilft es, sich dieser einzelnen Phasen bewusst zu sein und sich ihnen zuversichtlich zu widmen. Das ist schon ein wesentlicher Schritt. Die jeweilige Phase dann auch noch schwungvoll und optimistisch zu genießen, das ist die hohe Kunst.
Ich wünschen Ihnen viel Spaß beim Schaffen.
Ihre Andrea Rudolf