Alle Artikel mit dem Schlagwort: Kommunikation

Das ist ja ganz schön viel Meinung für sowenig Ahnung…

Oft habe ich das Gefühl, dass sich viele Menschen zu vielen Themen mit viel Inbrunst und viiiiel Selbstbewusstsein äußern…. und dabei eher über wenig Wissen zu den jeweiligen Themen verfügen… Ich nehme an, Sie denken auch gerade an die eine oder andere Person bzw. Situation…

Diese Art von Halbwissensverbreitung hat auch einen Namen: Die Verbreiter leben auf dem „Mount Stupid“. So hat der US-Cartoonist Zach Weinersmith schon 2008 die auffällig hohe Bereitschaft von uninformierten Menschen genannt, sich zu einem komplexen Thema zu äußern.

In der Psychologie spricht man vom Dunning-Kruger-Effekt1.

1 Vgl. Justin Kruger, David Dunning:Unskilled and unaware of it. How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. In:Journal of Personality and Social Psychology. Band 77, Nr.6, 1999, S.1121–1134

 

mount-stupid2

(©smbc-comics/Zach Weinersmith)

1999 haben die Herren Kruger und Dunning anhand von Studien diesen psychologischen Effekt beschrieben. Es scheint also wirklich so zu sein, dass wenig bis schlecht informierte Menschen zu höherer Selbsteinschätzung neigen und sich eine hohe Kompetenz zu einem Thema zuschreiben, bei dem sie wenig bis gar keine Ahnung haben.

Im Alltäglichen begegnen uns die Mount Stupid Bewohner gerne und oft beim Arzt, in der Schule und auf dem Trainingsplatz, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ärzte haben sicherlich oft den Fall, dass die Patienten mit Dr. Internet bereits die passende Diagnose gestellt haben und auch bereits wissen, welches Medikament wirksam ist, der Arzt solle doch bitte einfach nur das Rezept unterschreiben…

Die Lehrer sind nicht nur auf Elternabenden mit Eltern konfrontiert, die natürlich ihr Kind für hochbegabt halten, nur der Lehrer oder die Lehrerin hat dies noch nicht verstanden (verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin der Meinung und habe auch die Erfahrung gemacht, dass jedes Kind etwas Besonderes ist und vor allem kann, und diese Leidenschaft gilt es zu fördern).

Und schließlich steht einer steilen Fußballkarriere des begabten Kindes nur noch der meist ehrenamtlich tätige Jugendtrainer im Wege…. wenn er doch endlich einsehen würde, dass das Kind auf einer anderen Position viiiiiel besser spielen würde….

(Ja, manchmal fasse ich mir zugegeben auch an die eigene Nase.)

Im Berufsleben haben wir solche Situationen natürlich auch.

Wie schnell schmeißen die Abteilungs- und Projektleiter, Kolleginnen und Kollegen mit Schlagworten um sich, ohne eigentlich genau erklären zu können, was dahinter steckt.

Oder wissen Sie, was transformationale Führung, Content Marketing oder Big Data genau bedeutet? Da sollten wir noch mal einen Deep Dive zu machen…

Auch in der Politik machen sich die Bewohner breit. Der Brexit ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich die Menschen erst NACH der Wahl richtig informiert haben (dies war u.a. an bestimmten Suchwörtern im Internet abzuleiten).

Die eigentlichen Experten dieser Themen kommen nicht zu Wort oder werden nicht gehört. Warum ist das so?

Sind die Mount Stupid Bewohner zu laut, zu dominant?

Die Psychologin Tanja Gabriele Baudson führt das auf ein Kommunikationsproblem zurück: Führende Experten und Wissenschaftler würden sich eben lieber in Fachmagazinen äußern als in den Massenmedien.

Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung des Effekts ist also die Verbreitung von Fachwissen auch in den öffentlichen Medien. Dadurch kann der Fokus von populistischen Thesen auf fundierte Sachargumente gelegt werden.

Damit wir nicht selber auf dem Mount Stupid verweilen und von dort auf den fernen Gipfel der wahren Erkenntnis und des Wissens blicken, ist es sinnvoll, auch einfach mal zuzugeben, in etwas KEIN Experte zu sein, ohne WENN und vor allem ABER.

Ansonsten ist der Weg hin zum fernen Gipfel mit vielen Informationen gepflastert. Es reicht nicht aus, ab und an einen Artikel zu lesen und sich dann gleich als Experten zu diesem Thema zu äußern, es macht durchaus Sinn, etwas Zeit und Konzentration zu investieren, wenn Sie denn ein Thema durchdringen oder mitdiskutieren wollen.

Ein prominentes Exemplar eines Mount-Stupid- Bewohners ist übrigens der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, nur, damit Sie sich ein gescheit(elt)es Bild machen können.

Viel Spaß beim Finden der Balance zwischen alltagstauglichem Wissen und der sinnhaften Vertiefung von Themen, an denen Sie leidenschaftlich interessiert sind.

Ihre

Andrea Rudolf

Ich gehe davon aus, dass…

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich persönlich mag diesen Satzbaustein nicht besonders. Irgendwie habe ich dann das Gefühl, in einen wichtigen Aspekt der Diskussion nicht eingebunden gewesen zu sein (und ich irgendwo zwischen „Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“ und „einen schönen Feierabend wünsche ich“ einen wichtigen Auftrag verpasst habe).

Kommt es Ihnen dann auch so vor, als ob eine wesentliche Information im Vorfeld zwischen Ihnen und der Person, die da gerade „Ich gehe davon aus“ gesagt hat, einfach fehlt?

  • Ich gehe davon aus, dass Sie die Präsentation fertiggestellt haben.“
  • Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Theorie bekannt ist.“
  • Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, was in mir vorgeht“ 

Gehen Sie lieber davon aus, dass all dieses „davon Ausgehen“ NICHT fertiggestellt, bekannt oder gewusst wird.

Oftmals verstecken sich Menschen hinter dieser vermeintlich verbindlichen Floskel, um über die verpasste aber notwendig gewesene Kommunikation mit klarer Aufgabenstellung hinwegzusehen. Dabei wäre es ein Leichtes, einen weiteren Satz der Erläuterung einfließen zu lassen, um sich das Vorweggenommene bestätigen oder ablehnen zu lassen. Ausgegangen wird ja immer von Umständen, die so erst noch einzutreten haben und beim Fallenlassen der Floskel noch unbestätigt sind.

Offensichtlich ist diese ergänzende Kommunikation aber keineswegs leicht.

Denn dann müsste man ja noch mehr miteinander – Sie müssen jetzt ganz stark sein – REDEN.

Warum fällt es vielen vor allem in der Arbeitswelt so schwer, klare und verbindliche Verabredungen zu treffen? Oftmals bedarf es einfach einer in Ruhe und nach dreimaligen Durchatmen klärenden Erläuterung:

  • Mir war nicht bewusst, dass wir über einen Zeitpunkt der Fertigstellung für die Präsentation geredet haben…
  • Über einen kurzen Überblick über die von Ihnen angesprochene Theorie bin ich Ihnen dankbar.“
  • Da ein jeder von uns in seiner eigenen Welt mit eigenen Werten und Vorstellungen lebt, kann ich nicht wissen, was in Ihnen vorgeht und freue mich, wenn wir gemeinsam eine Möglichkeit finden, uns miteinander zu verständigen.“

Ich gebe zu, ab und zu muss ich eher fünfmal für solche Antworten durchatmen. Ein schnelles Kopfnicken (ob nun zurecht oder nicht) auf die „Ich gehe davon aus“ -Floskel ist in der Tat so bequem wie oftmals fatal.

Meine Antwort lautet daher ab heute auf eine solche „Ich gehe davon aus“-Floskel:

„Unter der Voraussetzung, dass Sie jetzt keine konkreteren Vorgaben machen, gehe ICH davon aus, dass auch keine Aktion meinerseits erforderlich ist. Und jetzt gehe ich davon. AUS.“

Ihre Andrea Rudolf